Die ärztliche und psychotherapeutische Schweigepflicht ist die Grundlage aller meiner
therapeutischen Angebote für alle, die sich an mich wenden. Vertrauen kann sich nur auf
dieser Basis zwischen Menschen entwickeln. Ohne diese Sicherheit, dass Vertrauliches in
meiner Praxis bleibt, kann ich meinen Beruf, der für mich Berufung ist, nicht ausüben.
Die ärztliche Schweigepflicht ist schon seit Hippokrates ethische Grundlage für alles
Heilen. Geschützt wird die Schweigepflicht durch das deutsche und europäische
Grundgesetz und die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Verstöße gegen die
ärztliche Schweigepflicht werden nach dem Strafgesetzbuch bestraft, wenn sie angezeigt
werden. Alles, was dem Arzt oder der Psychotherapeutin anvertraut oder sonst bekannt
gemacht wird, unterliegt dieser Schweigepflicht. Leider ist die Einhaltung für Ärzte und
Psychotherapeuten in den letzten zwei Jahren zunehmend schwieriger geworden.
Der Gesetzgeber hat mit einer Vielzahl von Gesetzen eine Situation geschaffen, in der
eine Einhaltung aller Gesetze zu diesem Thema nicht mehr konfliktfrei möglich ist. Alle
Praxen, die gesetzlich Versicherte behandeln wollen, müssen an die sogenannte
Telematik-Infrastruktur (TI) angeschlossen sein. Seit dem 01.01.2019 werden Praxen, die
gesetzlich Versicherte behandeln, mit einem Honorarabzug bestraft, die dieser Pflicht
nicht Folge leisten. Es handelt sich bei diesem Projekt um eine „Zwangsvernetzung“ der
meist gut digitalisierten Praxen (auch meine Praxis ist papierfrei komplett
digitalisiert). Bisher konnten diese intimen Informationen wie Diagnosen,
Sitzungsdokumentationen, Befunde oder Medikamentenverordnungen, oder
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschlüsselt im Praxisverwaltungssystem gespeichert,
und durch vielfältige Maßnahmen in der eigenen Praxis geschützt werden. Blieb dieser
Computer, auf dem diese gespeichert wurden, vom Netz getrennt, waren die Informationen
noch zusätzlich geschützt. Aktuell werden die Praxiscomputer mit einem sogenannten
Konnektor an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen. In Zukunft sollen die
Praxisverwaltungssysteme komplett in einer zentralen Cloud geführt werden. Ärztinnen und
Psychotherapeuten können diese Daten nicht mehr sicher vor dem Zugriff dritter Personen
schützen. Nach den Informationen der Betreibergesellschaft Gematik geht es bei dieser
„Digitalisierung“, um eine Vernetzung und Austausch der Informationen unter den
verschiedenen „Akteuren des Gesundheitswesens“. Die eigenen Befunde und Daten sollen in
einer elektronischen Patientenakte zentral gespeichert, und nach dem Willen des
Gesetzgebers auf einem Smartphone verfügbar sein. Was sich nach zusätzlichem Service
anhört, den fortschrittliche Menschen gerne befürworten, ist eine mögliche Gefahr durch
die zentrale Speicherung auf den Servern der Firma Arvato des Bertelsmann-Konzerns.
Patientinnen und Patienten erfahren nicht mehr, wer aus dem Gesundheitswesen auf die
Daten zugreift. Gesetze können laufend weiter geändert werden. So war die Nutzung der
elektronischen Patientenakte in Österreich anfänglich freiwillig, nach einer
Gesetzesänderung später Pflicht. Dieses Vorgehen steht nach meiner Auffassung momentan
im Konflikt mit der europäischen DSGVO.
Als Patientin oder Patient kann man gegen die
Speicherung der Daten und Befunde aktuell Einspruch erheben, nicht aber gegen eine
pseudonymisierte Weitergabe der Abrechnungsdaten der Behandler an
Forschungseinrichtungen und andere Institutionen aus der „Gesundheitswirtschaft“.
Befürchtung von Datenschützern ist die mögliche Rekonstruktion von Datensätzen und
Verknüpfung mit Datenprofilen zu einer Person, die anderweitig erhoben werden.
In Finnland wurde 2020 ein Psychotherapiezentrum mit 22 Praxen gehackt, und angeblich die
Sitzungsprotokolle mit intimsten Details von sehr vielen Patientinnen und Patienten von
den Erpressern ins Netz gestellt. Es gibt viele ähnliche Berichte dazu aus anderen
Ländern.
Informatik-Experten gehen davon aus, dass sensible, unveränderbare Gesundheitsdaten von
allen Bundesbürgern niemals komplett geschützt zentral gespeichert werden können. Das
Risiko des Datenraubes besteht in an die Telematikinfrastruktur angeschlossene Praxen
auch für privat versicherte Patientinnen und Patienten und Selbstzahler, da - wenn
überhaupt - das gesamte Praxisverwaltungssystem an die TI angeschlossen wird.
Ich habe mich entschlossen, meine Patientinnen und Patienten diesen Gefahren nicht
auszusetzen. Meine Praxis ab 01.01.2022 als Privat- und Selbstzahler-Praxis fortgeführt,
um die Schweigepflicht und den Datenschutz nach dem ärztlichen Berufsrecht und
Europäischen Datenschutzrecht weiter einhalten zu können. Als TI-freie Praxis bleibt
mein Praxisverwaltungssystem in meiner Praxis auf meinem Rechner, und soll für niemanden
als Arbeitsmittel dienen als für mich selbst. Das hat die bittere Konsequenz, dass ich
für gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten in Zukunft nicht mehr zur
Verfügung stehen kann. Ab 01.10.2021 wird die elektronische
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Pflicht für alle Ärzte. Ab diesem Zeitpunkt sind
Ärztinnen und Ärzte ohne Telematikinfrastruktur nicht mehr voll „arbeitsfähig“
(s. Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV).
Es sprengt den Rahmen dieser Webseite hier entsprechende Literatur zu meinen
persönlichen Bemerkungen zu meiner Entscheidung zu veröffentlichen. Leider ist es der
Regierung gelungen, diese gesamten Gesetzesänderungen relativ unbemerkt von der
Öffentlichkeit zu verabschieden. Ich habe mich hier kurzgehalten, und bitte
interessierte Leser selbst im Netz zu recherchieren. Fündig werden Sie in jedem Fall in
den entsprechenden Gesetzen des Bundesgesundheitsministeriums.